Aufhebungsverträge richtig anfechten!
Es ist keine Seltenheit, dass Arbeitnehmer von ihrem Arbeitgeber dazu gedrängt werden, einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu unterzeichnen. Insbesondere wenn ein vermeintliches Fehlverhalten des Arbeitnehmers im Raume steht, kann der Arbeitgeber dies zum Anlass nehmen, einen Aufhebungsvertrag anzubieten mit dem Hinweis, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis ansonsten fristlos kündigen wird oder dem Arbeitnehmer ansonsten kein gutes Zeugnis ausstellen wird. In diesen Fällen erhält der Arbeitnehmer meist auch keine Gelegenheit den Aufhebungsvertrag anwaltlich überprüfen zu lassen, sondern wird zusätzlich zeitlich unter Druck gesetzt. So kommt es immer öfter vor, dass Arbeitnehmer sich dazu drängen lassen, einen solchen Aufhebungsvertrag zu unterzeichnen und dies nach anwaltlicher Beratung schnell bereuen. Unter bestimmten Voraussetzungen können solche Aufhebungsverträge wirksam angefochten werden, so dass der Arbeitnehmer doch noch die Möglichkeit erhält um seinen Arbeitsplatz zu kämpfen oder die Konditionen des Aufhebungsvertrages nachzuverhandeln.
1. Aufhebungsvertrag vs. Kündigung
Bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber handelt es sich um eine rechtsgestaltende einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer wirkt also an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mit. Er hat vielmehr die Möglichkeit, die Kündigung durch das Arbeitsgericht auf Wirksamkeit überprüfen lassen zu können. Die Kündigungsschutzklage muss von dem Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung vor dem zuständigen Arbeitsgericht erhoben werden. Stellt das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit der Kündigung fest, besteht das Arbeitsverhältnis fort oder es wird im Rahmen des Kündigungsschutzprozesses einvernehmlich durch die Zahlung einer Abfindung beigelegt.
Dagegen handelt es sich bei dem Aufhebungsvertrag um einen zweiseitigen Vertrag, dem sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer durch Unterzeichnung zustimmen. Der Arbeitnehmer wirkt also an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit. Wurde der Aufhebungsvertrag von beiden Vertragsparteien unterzeichnet, ist er in der Regel rechtswirksam. Eine Überprüfung durch das Arbeitsgericht ist nur noch in Ausnahmefällen möglich. Ferner drohen Nachteile bei dem Bezug von Arbeitslosengeld I (Sperrzeit etc.).
2. Kann ich einen Aufhebungsvertrag widerrufen?
Nach der Rechtsprechung haben Arbeitnehmer kein Widerrufsrecht. Die Vorschriften über das 14-tägige Widerrufsrecht gemäß §§ 312g, 355, 495, 506-513 BGB finden auf Arbeitsverträge keine Anwendung. Dies gilt auch dann, wenn der Aufhebungsvertrag außerhalb der Geschäftsräume des Arbeitgebers unterzeichnet wurde (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18).
3. Wann kann ich einen Aufhebungsvertrag anfechten?
Hauptanwendungsfall der Anfechtung ist § 123 I BGB. Der Arbeitnehmer muß zur Unterzeichnung des Aufhebungsvertrages durch den Arbeitgeber „durch arglistige Täuschung oder widerrechtliche Drohung mit einem empfindlichen Übel“ bestimmt worden sein. Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitgeber ansonsten mit Kündigung droht, obgleich tatsächlich gar kein Kündigungsgrund vorliegt. Oder der Arbeitgeber droht damit, dem Arbeitnehmer ein schlechtes Zeugnis zu erteilen, wenn der Aufhebungsvertrag nicht unterzeichnet wird. Eine arglistige Täuschung ist dann gegeben, wenn der Arbeitgeber behauptet, der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers fällt aufgrund einer geplanten Umstrukturierung weg, obwohl eine solche Umstrukturierung gar nicht geplant ist. Ob ein Anfechtungsgrund vorliegt muß also im Einzelfall geprüft werden.
4. Kann ein Aufhebungsvertrag unwirksam sein?
Der Aufhebungsvertrag kann unwirksam sein, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei dem Abschluß des Aufhebungsvertrages unfair behandelt hat. Ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns kann vorliegen, wenn
- der Arbeitgeber eine psychische Drucksituation schafft oder ausnutzt
- und dadurch die freie Entscheidung des Arbeitnehmers erheblich erschwert oder unmöglich gemacht wird. (BAG, Urteil vom 07.02.2019, 6 AZR 75/18).
Die Voraussetzungen müssen im Einzelfall geprüft werden.
5. Wie kann ich einen Aufhebungsvertrag anfechten?
Die Anfechtung des Aufhebungsvertrages sollte schriftlich erfolgen, da sowohl der Arbeitsvertrag als auch der Aufhebungsvertrag in der Regel die Schriftform erfordern. Die Anfechtung per E-Mail oder per Messengerdienst (WhatsApp etc.) reicht in der Regel nicht aus. Ferner sind bei der Anfechtung nach § 123 I BGB die Fristen des § 124 BGB zu beachten. Soll der Aufhebungsvertrag angefochten werden, gilt es schnell zu handeln. Die Anfechtungsfristen beginnen abhängig vom Anfechtungsgrund mit dem Wegfall des angedrohten Übels oder ab Kenntnis von der Täuschung.
6. Muß ich die Anfechtung gerichtlich geltend machen?
In der Regel wird der Arbeitgeber die Anfechtung nicht freiwillig akzeptieren. Der Arbeitgeber sollte mit der Anfechtungserklärung aufgefordert werden, dass Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Reagiert er nicht, muß die Wirksamkeit der Anfechtung vor dem Arbeitsgericht festgestellt werden.
7. Fazit
Ein seriöser Arbeitgeber wird Ihnen den Aufhebungsvertrag aushändigen und Ihnen eine Bedenkzeit einräumen. Innerhalb der Bedenkzeit können Sie den Aufhebungsvertrag anwaltlich prüfen lassen und ggfls. nachverhandeln. Vorsicht ist geboten, wenn der Arbeitgeber Sie zeitlich unter Druck setzt und Sie keine Möglichkeit erhalten, den Aufhebungsvertrag prüfen zu lassen. Auch wenn der Arbeitgeber ansonsten eine Kündigung androht, sollten Sie den Aufhebungsvertrag ohne Bedenkzeit nicht unterzeichnen, denn eine Kündigung kann immer innerhalb der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG vor dem Arbeitsgericht angefochten werden, während eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages nur in engen Grenzen möglich ist.
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